Einleitung
Herzlich willkommen zu diesem Leitfaden. Ziel ist es, Sie durch das wichtige Thema der Erkennung rechter Symbolik und des Umgangs damit im Kontext von Musikfestivals zu führen. Wir alle wünschen uns Festivals als Orte der Begegnung, der Freude und der freien Entfaltung – Räume, in denen sich jede*r sicher und wohlfühlen kann. Doch leider sind auch solche Freiräume nicht gänzlich vor Versuchen gefeit, sie durch rechtsextreme Ideologien zu unterwandern oder zu stören.
Warum dieses Thema wichtig ist
- Schutz aller Anwesenden: Rechtsextreme Ideologien basieren auf Ungleichwertigkeit. Ihre Präsenz kann bedrohlich, verletzend oder einschüchternd wirken.
- Sichere(re) Räume schaffen: Festivals sollen Orte der Vielfalt sein, nicht des Hasses. Aktives Handeln ist zentral.
- Vereinnahmung entgegenwirken: Rechte Akteur*innen versuchen, Subkulturen und Festivals zu nutzen. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben.
Ziele & Überblick
Dieser Leitfaden soll Sie sensibilisieren, Ihnen konkretes Wissen an die Hand geben und Ihre Handlungssicherheit stärken. Wir betrachten:
- Erkennung von Symbolen & Codes.
- Rechtlicher Rahmen in Deutschland.
- Handlungsempfehlungen für Awareness-Teams & Veranstaltende.
- Interaktive Elemente / Download-Bereich.
Teil 1: Symbole & Codes erkennen
Rechte Symbole und Codes sind Zeichen, Bilder, Zahlen, Buchstaben, Kleidung oder Gesten, die von Rechtsextremen genutzt werden zur Identifikation, Provokation, Abgrenzung, Einschüchterung und Umgehung von Verboten. Die Szene ist kreativ und entwickelt sich ständig weiter.
Kategorie 1: Klassische NS-Symbole (Strafbar nach § 86a StGB)
Hakenkreuz: Zentrales Symbol der NSDAP. Jegliche Darstellung verboten (auch abgewandelt). Ausnahme für klar antifaschistischen Kontext (BGH 2007) – dennoch Vorsicht!

SS-Runen (Doppelte Siegrune): Symbol der Schutzstaffel (SS). Streng verboten.

SS-Totenkopf: Symbol der SS-Totenkopfverbände (KZ-Bewachung). Streng verboten.

SA-Zeichen: Symbol der Sturmabteilung (SA). Verboten.

Bei diesen Symbolen gibt es keinen Interpretationsspielraum. Sofortiges Handeln erforderlich!
Kategorie 2: Runen im rechten Kontext (Kontext entscheidend!)
Odal-Rune: NS-Symbol für "Blut und Boden" (HJ, Wiking-Jugend). Strafbarkeit teilweise strittig, im Neonazi-Kontext relevant.

Wolfsangel: Von NS-Organisationen genutzt, Symbol für Wehrhaftigkeit (Junge Front, Regiment Asow). Im rechtsextremen Kontext strafbar.
Siegrune (einfach): Zeichen des Deutschen Jungvolks (HJ). Oft als "S"-Ersatz. Strafbar.
Tyr-Rune (Kampfrune): Abzeichen von SS-Divisionen, NS-Führerschulen. Strafbar.

Algiz-Rune (Lebensrune): Im NS als "Lebensrune" (Geburt) und gestürzt als "Todesrune" (Tod) verwendet (Lebensborn, SS-Gräber).
Wichtig: Einzelne Runen oft nicht strafbar. Kontext (Häufung, Kombination, Aufladung) beachten!
Kategorie 3: Zahlen- & Buchstabenkombinationen
- 18: Adolf Hitler
- 88: Heil Hitler
- 14: "14 Words"
- 28: Blood & Honour
- C18: Combat 18
- HH: Heil Hitler
- WP: White Power
- ZOG: Zionist Occupied Government
- 4/20: Hitlers Geburtstag
- 168:1: Oklahoma Bombing
- NSU, WAR, RAC, RAHOWA, WPWW, SWP...
Meist nicht strafbar, aber klare Szenekenntnisse. Können per Hausrecht untersagt werden.
Kategorie 4: Kleidungsmarken & Dresscodes
Eindeutige Szenemarken:
- Thor Steinar: Sehr beliebt, nordisch-germanische Symbolik.
- Consdaple: Spielt mit Lonsdale, kann NSDAP zeigen.
- Weitere: Erik and Sons, Ansgar Aryan, Masterrace Europe, Rizist, Final Stand...

Ambivalente Marken/Codes (Kontext entscheidend!): Lonsdale (distanziert sich), Fred Perry (bestimmte Farben), New Balance ("N"), Bomberjacken, Springerstiefel, Kahlköpfe (weniger eindeutig heute).
Wichtig: Tragen meist nicht strafbar. Hausrecht nutzen!
Kategorie 5: Gesten & Flaggen
- Gesten: Hitlergruß (verboten!), Kühnengruß (verboten!), "White Power"-Zeichen (Kontext!).
- Flaggen: Reichskriegsflagge mit HK (verboten!), Reichskriegsflagge ohne HK (Ersatzsymbol, Hausrecht!), Schwarz-Weiß-Rot (Ersatzsymbol), Wirmer-Flagge (von Rechten vereinnahmt, Kontext!).
Kategorie 6: Neuere/Subtilere Symbole & Memes
Identitäre Bewegung (IB): Lambda (Λ) auf gelb-schwarz.
Schwarze Sonne: Ursprung Wewelsburg, esoterisch, beliebt als HK-Ersatz. Nicht explizit verboten, Kontext!

Memes (z.B. Pepe der Frosch): Können von Rechten gekapert werden. Kontext!
Weitere: Hammer & Schwert, Sonnenkreuz (KKK, strafbar!), Thorshammer (Kontext!), Eisernes Kreuz (Kontext!).
Kategorie 7: Musik & Bands
Zentrales Element zur Rekrutierung und Ideologieverbreitung.
- Genres: Rechtsrock, NSBM, Hatecore, Rechts-Rap.
- Erkennung: Texte (rassistisch, antisemitisch, NS-verherrlichend), Bandnamen, Labels (PC Records, Rebel Records), Merchandise.
- Handlung: Abspielen indizierter/volksverhetzender Musik strafbar. Hausrecht für Merch etc. nutzen.
Wichtigkeit des Kontexts!
- Nicht jedes Symbol ist eindeutig (Runen, Thorshammer etc.).
- Gesamteindruck bewerten (Kombination, Verhalten, Äußerungen).
- Im Zweifel: Dokumentieren, Team besprechen, externe Expertise.
- Fokus auf eindeutige/strafbare Symbole & Handlungen.
- Hausrecht bei unerwünschten, nicht strafbaren Symbolen nutzen.
Teil 2: Rechtlicher Rahmen
§ 86a StGB - Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
Verbietet das öffentliche Verbreiten oder Verwenden von Kennzeichen (Flaggen, Abzeichen, Uniformstücke, Grußformen etc.) ehemaliger NS-Organisationen (NSDAP, SS, SA etc.) und anderer verbotener Vereinigungen. Strafe: Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahre oder Geldstrafe.
Was fällt darunter? Hakenkreuz, SS-Runen, SS-Totenkopf, Hitlergruß, Kühnengruß etc.
Wichtig: Gilt auch für zum Verwechseln ähnliche Zeichen!
§ 130 StGB - Volksverhetzung
Stellt verschiedene Handlungen unter Strafe, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören:
- Aufstacheln zum Hass gegen Teile der Bevölkerung (nationale, rassische, religiöse, ethnische Gruppen).
- Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie.
- Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden dieser Gruppen.
- Leugnen, Verharmlosen oder Billigen von Völkermord/NS-Verbrechen (Abs. 3 & 4).
Beispiele: "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!", Leugnung des Holocaust, rassistische Hetzparolen.
Hausrecht des Veranstalters
Das wichtigste Instrument für euch auf dem Festival!
- Definition: Das Recht des Eigentümers/Besitzers (hier: Veranstalter), zu bestimmen, wer das Gelände betreten darf und wer es verlassen muss.
- Grundlage: Vertrag (Ticketkauf) und § 903, § 1004 BGB.
- Hausordnung: Ihr legt die Regeln fest! Hier könnt ihr klar definieren, welche Symbole, Kleidungsmarken, Äußerungen und Verhaltensweisen unerwünscht sind und zum Ausschluss führen – auch wenn sie nicht strafbar sind!
- Durchsetzung: Platzverweis aussprechen. Bei Weigerung -> Hausfriedensbruch (§ 123 StGB), Polizei kann zur Durchsetzung gerufen werden.
Grenzen des Hausrechts & Meinungsfreiheit
- Keine Willkür/Diskriminierung (AGG): Ausschluss nicht allein wegen Herkunft, Religion etc.
- Aber: Ausschluss wegen rechtsextremer Symbole/Verhaltens ist legitim (Schutz anderer, störungsfreier Ablauf).
- Meinungsfreiheit (Art. 5 GG): Gilt nicht schrankenlos. Grenzen u.a. in § 86a, § 130 StGB, Persönlichkeitsrecht. Auch nicht strafbare, aber störende/verletzende/rechtsextreme Äußerungen/Symbole können per Hausrecht unterbunden werden.
Zwischenfazit Rechtlicher Rahmen
- Klare strafrechtliche Grenzen (§ 86a, § 130 StGB).
- Hausrecht ist euer wichtigstes, flexibles Instrument.
- Klare Hausordnung als Grundlage.
- Handeln gegen Rechtsextremismus ist keine unzulässige Diskriminierung.
Teil 3: Handlungsempfehlungen
Prävention - Vor dem Festival
- Klare Haltung & Hausordnung: Eindeutig formulieren, kommunizieren (Website, Social Media, AGB, Aushänge).
- Schulung & Sensibilisierung: Alle Teams (Einlass, Security, Bar, Awareness, Orga) schulen (Symbole, Codes, Abläufe).
- Netzwerken & Beratung: Kontakte zu Fachberatungsstellen, Austausch mit anderen Veranstalter*innen.
- Risikoanalyse: Einschätzen, ob Festival besonderes Ziel sein könnte.
- Infrastruktur: Stand, Rückzugsraum, Funkgeräte für Awareness-Team.
Beobachtung & Dokumentation - Augen auf!
- Worauf achten? Symbole (Kleidung, Tattoos), Kleidung (Marken), Äußerungen (Parolen, Musik), Gesten, Materialien (Flyer), Verhalten (Einschüchterung).
- Dokumentation (A&O): Was? Wann? Wo? Wer? Zeug*innen? Maßnahmen? (Optional: Foto - Datenschutz!).
- Warum? Interne Absprache, Grundlage für Intervention/Platzverweis, Nachbereitung, ggf. rechtliche Schritte.
Ansprache & Intervention - Handeln mit Bedacht
- Eigenschutz & Teamarbeit: Niemals alleine! Situation einschätzen (Anzahl, Alkoholisierung, Aggressivität).
- Deeskalation: Ruhig, aber bestimmt bleiben. Keine Provokation, keine Ideologie-Diskussionen.
- Klare Kommunikation: Ansprechen -> Verstoß benennen -> Auffordern zu unterlassen/entfernen -> Konsequenz (Platzverweis) aufzeigen.
- Hausrecht konsequent durchsetzen: Bei Uneinsichtigkeit Platzverweis aussprechen, Security zur Durchsetzung hinzuziehen.
Zusammenarbeit mit Security & Polizei
- Klare Absprachen (im Vorfeld!): Wer informiert wen? Wer hat welche Befugnisse? Wann Polizei?
- Security informieren: Vor/bei Ansprache, besonders bei heiklen Situationen.
- Wann Polizei? Klarer Straftatverdacht (§ 86a, § 130, Körperverletzung etc.), Gewalt, Hausfriedensbruch. Im Zweifel Einsatzleitung informieren.
Unterstützung für Betroffene - Nicht alleine lassen!
- Ansprechbar sein, Rückzugsraum anbieten.
- Aktives Zuhören, Gefühle ernst nehmen, Verhalten als nicht in Ordnung validieren.
- Handlungsoptionen aufzeigen (Begleitung, Meldung, Ruhe).
- Weitervermittlung (Opferberatung, Antidiskriminierungsstellen).
- Empowerment.
Nachbereitung - Nach dem Festival
- Team-Debriefing: Was passiert? Was lief gut/schlecht? Gefühle?
- Dokumentation sammeln & auswerten: Muster erkennen.
- Learnings & Strategieanpassung: Für zukünftige Veranstaltungen.
- Austausch mit Orga/Security.
- Externe Supervision nutzen.
- (Optional) Externe Kommunikation überlegen.
Downloads & Materialien
Hier finden Sie die im Rahmen dieses Leitfadens erstellten Dokumente zum Herunterladen:
- Vortragstext (Markdown)
- Recherche: Symbole & Codes (Markdown)
- Recherche: Rechtlicher Kontext (Markdown)
- Recherche: Handlungsempfehlungen (Markdown)
- Vortragsstruktur (Markdown)
Bilder:
Abschluss
Zusammenfassung der Kernpunkte
- Wachsamkeit ist nötig.
- Wissen ist Macht (Kontext zählt!).
- Rechtlicher Rahmen: § 86a, § 130 StGB, Hausrecht ist entscheidend.
- Handlungskompetenz: Prävention, Kommunikation, Doku, Deeskalation, Konsequenz, Teamarbeit.
- Solidarität mit Betroffenen.
Appell & Ausblick
Seid wachsam, aber nicht paranoid. Handelt entschlossen, aber mit Bedacht und im Team. Eure Arbeit ist wichtig, um Festivals als offene, vielfältige und sichere Orte zu erhalten. Zeigt klare Kante gegen Hass. Bildet euch weiter, tauscht euch aus, holt euch Unterstützung.
Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Rechtsextremismus auf unseren Festivals keinen Platz hat.